„Davids Steine“

Die Caritaslegende

Relevante Angebote in relevanten Handlungsfeldern anbieten, bewerben und deren Erfolg messen – im besten Falle ökumenisch! Damit wäre mein letzter Beitrag unter der Überschrift Think big! mit einem Satz zusammengefasst. Ich hatte dazu angeregt kirchliche Angebote auf kommunale Handlungsfelder insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu übertragen. Es überrascht nicht, dass dabei Caritas und Diakonie eine bedeutende Rolle übernehmen!

Dass Kontakte zu Einrichtungen von Caritas und Diakonie auch heute bereits wichtig für den Lebensalltag vieler Menschen sind, bestätigen die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die im November dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Caritas und Diakonie werden von der deutschen Bevölkerung dabei nicht zwangsläufig mit dem diakonischen Engagement der Kirchen in Verbindung gebracht, was sich an besseren Werten bei der Frage nach dem Vertrauen in die verschiedenen Einrichtungen widerspiegelt.

Was meine ich mit diakonischem Engagement? In Ihrem Beitrag „Bezahlte Nächstenliebe“ in der Herder Korrespondenz Spezial ”Über Geld spricht man nicht” befasst sich die Freiburger Theologieprofessorin Ursula Nothelle-Wildfeuer mit der Refinanzierung kirchlicher Sozialdienstleistungen. Sie geht dabei ganz offensiv auch auf Kritik am gegenwärtigen System der Kirchenfinanzierung ein und thematisiert auch die sogenannte Caritaslegende. Die Kirchen, so der Vorwurf, würden von staatlicher Seite privilegiert und verbreiteten den Eindruck als würden ihre sozialen Einrichtungen weitestgehend durch die Kirchensteuer finanziert. Dies ist jedoch nicht richtig: Auf der Homepage des Deutschen Caritasverbandes finden sich Beispiele für die Finanzierung verschiedener Angebote für Kranke und Pflegebedürftige, alte Menschen, Menschen mit Behinderung, Familien, Kinder und Jugendliche oder Zugewanderte.

Aachener Grundvermögen Schaubild zum Kolumnenbeitrag die Caritaslegende

Dabei wird transparent, dass es Bereiche gibt, die – in der Regel – ohne Kirchensteuermittel finanziert werden können: Die stationäre Altenhilfe oder Sozialstationen und Krankenhäuser sind Beispiele dafür. Sehr deutlich wird aber auch, dass die Eigenbeiträge der Caritas – das dürften in vielen Fällen Kirchensteuermittel sein – für einzelne Dienste existenziell sind: Das sind vor allem zusätzliche Beratungsdienste, die sich am Bedarf vor Ort orientieren, wie etwa die Beratung von alten Menschen und ihren Angehörigen, Menschen mit Suchtproblemen oder hohen Schulden, Migranten und Flüchtlingen oder die Arbeit mit Alleinerziehenden. In der Gesamtbetrachtung aller Angebote und Einrichtungen dürften sich auch die teilweise geringen Finanzierungsanteile zu einem nicht unerheblichen Gesamtbetrag summieren, den kirchliche Wohlfahrtsorganisationen hier einbringen.

Dieser Gemeinwohlbeitrag ist es, dem die Kirchen aus ihrem theologischen Selbstverständnis nachkommen. Und unter anderem dafür werden aktuell zu einem beträchtlichen Anteil Kirchensteuern eingesetzt. Dabei darf nicht lediglich die subsidiär mitfinanzierte caritative und diakonische Arbeit der Kirchen als Träger von Kindertagesstätten, Sozialstationen, Seniorenheimen oder Krankenhäusern oder (staatliche) Bildung und der Religionsunterricht betrachtet werden. Mit den Kirchensteuereinnahmen werden auch das kulturelle Engagement der Kirchen, die Unterhaltung denkmalgeschützter und ortsbildprägender Gebäude sowie die Lebensbegleitung durch Seelsorgende in besonderen Situationen und vor Ort finanziert. Bei letzterer ist nicht nur an die institutionalisierten Einrichtungen der Telefon- und Notfallseelsorge, der Ehe-, Familien- und Lebensberatung oder an die individuelle Begleitung in Krisen oder bei Trauerfällen zu denken, sondern insbesondere auch an den durch Glauben und Kirche generierten ehrenamtlichen „Dienst am Nächsten“ von vielen Gläubigen.

Aachener Grundvermögen Seelsorge - Symbolbild für Kolumnenbeitrag "Die Caritaslegende"

Hier schließt sich der Kreis dieses Beitrags, aber es kann auch ein Bogen zu vorangegangenen Beiträgen gespannt werden: Gutes tun und darüber reden! Erinnert sei an Kampagnen wie „1000 gute Gründe“ des Erzbistums Paderborn oder www.kirchensteuer-wirkt.de mehrerer Evangelischer Landeskirchen.

Auch die ersten Ergebnisse aus der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung legen entsprechende Kommunikations- und Marketingkampagnen nahe: Die Mehrzahl derjenigen, die konfessionslos sind oder aufgrund geringer Einkommen de facto keine Kirchensteuern zu zahlen haben, lehnen das aktuelle Finanzierungssystem der Kirche ab. Unter den (steuerzahlenden) Kirchenmitgliedern selbst ist die Ablehnung deutlich weniger stark ausgeprägt. Daraus ergeben sich Chancen für die Kirchen: Transparente Kommunikation und Partizipation bei der Entscheidung über die Verwendung von Kirchensteuern oder anvertrauten Geldern erscheinen nicht nur geboten, sondern auch gewinnbringend. Viele kirchliche Einrichtungen sind bereits in diese Richtung unterwegs und dementsprechend liegen viele gute Beispiele bereits vor. Es ist zu wünschen, dass dieser Pfad konsequent weiterverfolgt wird.

Wenn die Kirchen Herkunft und Verwendung in diesem Sinne ernst nehmen und transparent darstellen, dann erzählen sie keine Caritaslegende. Vielmehr sind sie mit ihrem Angebot von Hilfe und Unterstützung für alle Menschen eine wichtige Säule des Sozialstaats, übernehmen Verantwortung für das Gemeinwohl und zeigen damit ihr (menschen-) freundliches Gesicht.