„Davids Steine“

Ökonomische Analogien im Transformationsprozess

Das Auto. Mit diesem Claim warb der größte deutsche Automobilhersteller vor einigen Jahren für seine Fahrzeuge. Über viele Jahrzehnte galten in der Branche die vorherrschenden Attribute stärker, schneller, weiter. Dies hat sich binnen kürzester Zeit geändert. Wer in Deutschland auch zukünftig Autos fürs Volk anbieten will, für den gilt: digital, elektrisch, klimaneutral. Und auch wenn insbesondere die Elektromobilität noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, so wird doch eines deutlich: Die Branche verändert sich, sie muss sich verändern.

Die Kirche. Den Volkskirchen geht es heute ähnlich. Im vergangenen Jahr gehörten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik weniger als die Hälfte der Deutschen einer der beiden großen christlichen Kirchen an. Nicht erst seit Veröffentlichung der Freiburger Studie im Jahr 2019 ist klar, dass ein massiver Schrumpfungsprozess bevorsteht, den der evangelische Theologe Thies Gundlach mit der 40 Jahre dauernden Wüstenwanderung des Volkes Israel verglich. Und nicht wenige würden angesichts der projizierten Entwicklung und insbesondere der aktuell hohen Zahl an Kirchenaustritten am liebsten den Kopf in den (Wüsten-)Sand stecken, die Augen vor der Realität verschließen und einfach weitermachen wie bisher.

Für ein Wirtschaftsunternehmen wäre das keine Option. Schon allein wegen seiner Anteilseigner, der Shareholder: die würden wegen ihrer Renditeaussichten auf Veränderung drängen. Auch für die Kirche sollte das keine Option sein. Schon allein wegen ihrer Mitglieder, den bedeutendsten Stakeholdern: ihnen muss dem kirchlichen Auftrag gemäß auch zukünftig das Evangelium in Wort und Tat bezeugt werden. Dabei gilt es realistisch auf das Setting der anstehenden Veränderungen zu blicken: Ein „Wachsen gegen den Trend“ ist eher unwahrscheinlich. Um dauerhaft die heutige konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung zu halten, müsste – um allein der kirchlichen Überalterung entgegenzuwirken – die Zahl der Eintritte die der Austritte übersteigen. Davon sind die gegenwärtigen Zahlen weit entfernt. Dennoch gilt es die wesentliche Erkenntnis der Freiburger Studie ernst zu nehmen: Zumindest einen Teil des Mitgliederrückgangs können die Kirchen beeinflussen. Es gilt Ansatzpunkte zu erkunden, wie sie darauf reagieren können. Was für die Automobilindustrie gilt, kann auch für das institutionalisierte Christentum gelten: Die Kirche verändert sich, sie muss sich verändern.

Wenn die Kirchen die Minderheit in der Gesellschaft bilden, werden über kurz oder lang auch die vermeintlichen Privilegien der Kirchen infrage gestellt. Umso wichtiger erscheint es, dass die Kirchen ein gesellschaftlich relevantes, wenn möglich auch digitales Angebot vorhalten. Ein aktuelles Beispiel aus der Erzdiözese Freiburg kann vielleicht stellvertretend für einen solchen Transformationsprozess dienen. Unter dem Link www.ebfr.de/diversitaet wird dort allen Interessierten kostenfrei ein E-Learning Angebot zum Thema Diversität zur Verfügung gestellt. „Die Welt ist bunt. Gott sei Dank!“ Mit diesem Slogan in der Überschrift wurden von der Abteilung Erwachsenenpastoral im Erzbischöflichen Seelsorgeamt fünf Module entwickelt mit dem Ziel, Vielfalt in der Kirche zu entdecken und zu leben. Das E-Learning Angebot stand bereits vor der Veröffentlichung der Initiative „Out in Church“ und damit quasi rechtzeitig zur Verfügung.

Aachener Grundvermögen Blogbeitagsbild Davids Steine - Die Welt ist bunt Gott sei Dank

Ein zugegeben kleines Beispiel für ein gesellschaftlich relevantes und digitales Angebot. Mit den beiden Kolumnenbeiträgen „Was wir von Paulus über Marketing lernen können…“ und „Es gibt tausend gute Gründe …“ hatte ich im vergangenen Jahr bereits dafür geworben, professionelle Strategien zu entwickeln. Auch hier können wir von Wirtschaftsunternehmen lernen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen zur Ablösung der Staatsleistungen oder kritischer Stimmen über die Finanzierung der Kirchen erscheint es wichtig die Auswirkungen auf das Gemeinwesen und damit die gesamte Gesellschaft in Deutschland deutlich zu machen.

Zum Abschluss ein kurzer Cliffhanger: Im März 2023 haben wir die Daten der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD erhalten, für die erstmals auch – in Zusammenarbeit mit der DBK – Katholikinnen und Katholiken befragt wurden. Wir haben diese repräsentative Bevölkerungsbefragung auch dazu genutzt, um die Meinungen zur Finanzierung der Kirchen abzufragen. Selbstverständlich stelle ich Ihnen die Ergebnisse in einem der kommenden Newsletter vor.