„Davids Steine“

Gekommen, um zu bleiben: die Inflation

Zum Jahreswechsel vermeldete das Statistische Bundesamt für den Dezember 2022 eine leicht gesunkene Inflationsrate von 8,6 Prozent. Im Vergleich mit den Höchstwerten im Oktober (+10,4 Prozent) und November (10,0 Prozent) fällt die Inflationsrate unter anderem aufgrund der Dezember-Soforthilfe zwar deutlich niedriger aus. Dennoch erleben wir mit voraussichtlich knapp 8 Prozent im Jahresdurchschnitt eine Preissteigerung, wie wir sie das letzte Mal vor 70 Jahren erlebt haben. Nicht einmal während der Ölkrise der 70er Jahre gab es solche Teuerungsraten. Grund genug an dieser Stelle einmal einen kleinen Exkurs in die Welt der Ökonomie zu unternehmen.

Von Politik und Medien wird das aktuelle Inflationsgeschehen nur zu gerne mit der Covid-19-Pandemie und dem Ukrainekrieg begründet. Dabei waren diese lediglich Auslöser und Verstärker, aber keine originären Verursacher. Bereits in seiner Weihnachtsvorlesung Ende 2020 prangerte Prof. Hans-Werner Sinn die jahrelange expansive Geldpolitik der EZB an, die zu einer Entkopplung des Wachstums von Zentralbankgeldmenge und Bruttoinlandsprodukt (BIP) führte und damit inflationäre Tendenzen verursachte. Die öffentliche Vorlesung mit dem Titel „Corona und die wundersame Geldvermehrung in Europa“ ist absolut empfehlenswert und noch heute unter dem Link” abrufbar. Ab Minute 54:23 erklärt Hans-Werner Sinn mit dem Bild des Kutschers, der die Zügel nicht findet, die Geldpolitik der EZB: „Die Inflation wird nicht erzeugt durch die langen Zügel der Geldpolitik, aber wenn sie zu lang sind, kann man auch nicht bremsen.“ Es verwundert daher kaum, dass immer mehr Ökonomen davon ausgehen, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben.

Aachener Grundvermögen Beitragsbild Kolumne Davidssteine Inflation

Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Kirchen und ihre Mitglieder. Die Sorge um die Zukunft hat Teile unserer Gesellschaft erreicht, die sich vor einem Jahr noch nicht vorstellen konnten in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. In seiner Rede zur Einbringung des Haushaltsplans der Evangelischen Landeskirche in Württemberg für die Haushaltsjahre 2023/2024 blickt mein Kollege Dr. Fabian Peters mit Sorge auf die hohe Zahl an Kirchenaustritten im Jahr 2022. Aus der kontinuierlichen Befragung von Ausgetretenen, die von der Landeskirche Württemberg monatlich durchgeführt wird – vergleiche meine Kolumne „Da berühren sich Himmel und Erde“ –, ist bekannt, dass die hohe Inflation dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Während im März 2022 nur ein kleiner Teil der Befragten die Preissteigerungen als einen Beweggrund für Ihren Austritt benannt hatte, waren es in den Sommermonaten die Hälfte der Befragten. Aus der kontinuierlichen Befragung geht aber auch hervor, dass die Inflation quasi als Katalysator auf das Austrittsgeschehen wirkt, nicht aber das tieferliegende Motiv ist.

Die hohen Preise wirken sich allerdings nicht nur auf das Austrittsverhalten aus, sondern haben auch Auswirkungen auf die kirchlichen Haushalte. Zwar prognostizierte der Arbeitskreis Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums aufgrund der gestiegenen Preise bis 2026 weiter steigende Steuereinnahmen, an denen auch die Kirchen partizipieren werden. Grund dafür ist, dass die hohe Inflation sich auch in den Löhnen der Steuerzahlenden niederschlägt. Diese Lohn- und damit auch Steuerzuwächse überkompensieren die durch Kirchenaustritte wegfallenden Kirchensteuern. Allerdings entstehen die Schwierigkeiten für die kirchlichen Haushalte nicht auf der Einnahmen-, sondern auf der Ausgabenseite. Kirchliche Arbeit ist bekanntermaßen personalintensiv und damit von Lohnsteigerungen stark betroffen. Dazu steigen mit den Löhnen auch die Preise – in der ökonomischen Theorie wird von einer Lohn-Preis-Spirale gesprochen.

Immer wieder haben wir im Zusammenhang mit der langfristigen Vorausberechnung von Kirchenmitgliedern und Kirchensteuern darauf hingewiesen, dass die Zeit bis etwa zum Jahr 2035 genutzt werden sollte. Dann werden die geburtenstarken Jahrgänge vollständig in den Ruhestand eingetreten sein und die in den letzten Jahren ausgetretenen jüngeren Kirchenmitglieder, deren Kirchensteuerzahlung vergleichsweise gering und daher fiskalisch kaum spürbar war, schmerzlich fehlen. Darauf gilt es sich weiterhin konsequent vorzubereiten. Dabei denke ich vor allem an strategische Entscheidungen bezüglich Prioritäten und Posterioritäten kirchlicher Arbeit genauso wie an die zahlreichen – wie ich meine Hoffnung gebenden – Impulse aus der Freiburger Studie, die Gegenstand meiner Kolumnen in den vergangenen beiden Jahren waren. Vielleicht kann die aktuelle Situation ein letzter Stein des Anstoßes sein, entsprechende Entscheidungen mit Mut und Gottvertrauen zu treffen. Das wünsche ich Ihnen für das neue Jahr und über allem Gottes reichen Segen!

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