„Davids Steine“

Think big!

Nach meinem letzten Beitrag „Ökonomische Analogien im Transformationsprozess“ erreichten mich zahlreiche Rückmeldungen (übrigens jederzeit gerne Kritik, Zuspruch oder innovative Projekte und Ideen per Mail an mich. Ich hatte versucht mich mit der Frage zu beschäftigen, wie wir als Kirche von Wirtschaftsunternehmen lernen können, die sich ebenfalls in einem Transformationsprozess befinden. Als „zugegeben kleines Beispiel“ hatte ich das kostenfreie E-Learning Angebot zum Thema Diversität „Die Welt ist bunt. Gott sei Dank!“ der Erzdiözese Freiburg vorgestellt. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht wurde die Frage gestellt, welche Möglichkeiten es für die heute stark in der Kritik stehende Kirche gibt, um in der Gesellschaft als relevant wahrgenommen zu werden. Meine Antwort: Think big!

Der demografische Wandel steht nicht etwa bevor, wir stecken bereits mittendrin! Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie in Ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis in den letzten ein bis drei Jahren, in diesem oder in den kommenden ein bis drei Jahren einen 60. Geburtstag gefeiert haben oder feiern. Vielleicht war oder ist das auch Ihr eigener Geburtstag: dann Glückwunsch, Gesundheit und Gottes Segen für Sie! Grund dafür sind – Sie ahnen es bereits – die Babyboomer. Betrachtet man die Bevölkerungspyramide Deutschlands – zum Beispiel unter dem Link – werden die demografischen Effekte sehr gut sichtbar: Die Enkel der Babyboomer sind geboren, die Kinder der Babyboomer stehen mitten im Erwerbsleben.

Waage im Ungleichgewicht

Kurzer Exkurs: Wer wissen möchte, warum diese Abbildung unserer Bevölkerung Pyramide heißt, muss eine kleine Zeitreise ins Jahr 1900 unternehmen. Ungefähr zu dieser Zeit führte Otto von Bismarck die Sozialversicherungssysteme in Deutschland ein. Kurz gesagt: viele Junge, wenige Alte sollten das umlagefinanzierte Beitragssystem tragen. Was damals richtig war, funktionierte bereits 1995 nicht mehr als mit der Pflegeversicherung die letzte Säule der Sozialversicherung in Deutschland eingeführt wurde. Aber zu dieser Zeit wurde politisch auch noch mit dem Slogan geworben „Denn eins ist sicher: Die Rente“ … Und die aktuelle Bevölkerungspyramide zeigt nicht nur diese Spannung zwischen den Generationen auf, sondern macht auch den sich verschärfenden Fachkräftemangel intuitiv verständlich: Vergleichen Sie einmal die aktuell im Übergang zur Rentenphase befindlichen zehn Altersjahrgänge zwischen 55 und 65 Jahren mit der Anzahl der heute 15 bis 25-Jährigen!

Wo war ich? Richtig: bei den Babyboomern, deren Kindern und Enkelkindern. Und bei der Frage, warum der demografische Wandel eine Chance für die Kirche sein könnte, als gesellschaftlich relevant wahrgenommen zu werden. Nicht erst bei der Beschäftigung mit diesem Beitrag bin ich auf ein „Demografie-Konzept“ gestoßen. Die Verantwortlichen der FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt führen darin mögliche Handlungsfelder auf, die für die Zukunft der Kommunen relevant sein könnten. Ich würde korrigieren: die für die Zukunft der Kommunen relevant sind.

Grafik Darstellung "Mögliche Handlungsfelder"

Es fällt nicht schwer das Angebot von Kirche und Caritas bzw. Diakonie diesen Handlungsfeldern zuzuordnen. Weder möchte ich an dieser Stelle zu sehr ins Detail gehen, noch traue ich mir eine annährend vollständige Aufzählung dieser kirchlichen Angebote zu. Aber ich denke es ist offensichtlich, dass Kirche, Caritas und Diakonie in nahezu allen der aufgeführten Handlungsfeldern mit relevanten Angeboten vertreten sind und diese bei weitem nicht nur für Kirchenmitglieder Gutes bringen. Sollte in Ihrem inneren Auge jetzt nicht gerade ein Film ablaufen, in dem Kindertageseinrichtungen, Ehe-, Familien und Lebensberatungsstellen, Telefonseelsorge, Sozialstationen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Nachbarschaftshilfen, Siedlungswerke, Bauvereine, Bildungseinrichtungen für alle Altersklassen, Studentenwohnheime oder die Angebote für Migranten und Flüchtlinge vorüber ziehen, nehmen Sie im Zweifel den Haushaltsplan einer Diözese oder Landeskirche zur Hand.

Relevante Angebote in relevanten Handlungsfeldern. Vielleicht ahnen Sie jetzt bereits, warum ich für diesen Beitrag die Überschrift Think big! gewählt habe. Kirchlich Verantwortliche auf allen Ebenen sollten sich dieser Relevanz bewusst sein. Das kann auch helfen im Umgang mit den aktuellen kircheninternen Herausforderungen und so zur Resilienz beitragen. Es gilt diese relevanten Angebote zu stärken und auch in der Gesellschaft bekannt zu machen – hier kann auch zum wiederholten Male die Brücke zum Marketing geschlagen werden. Gerade gegenüber politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen sollten sich die Kirchen mit ihren Einrichtungen und Verbänden als unverzichtbarer Player zur Bewältigung der mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen präsentieren. And last but not least: Groß denken heißt für mich dabei auch, dass die Kirchen Synergien nutzen und sich – nicht nur effektiv, sondern auch effizient – bei diesen Herausforderungen ökumenisch als unverzichtbarer Player präsentieren.