„ZukunftsStifter“

Mädchenrechte in Kamerun: Alternativer Friedensnobelpreis für Partnerorganisation der Hélder Câmara Stiftung von Misereor

von Katrin Heidbüchel

Als Kind hat sie miterlebt, wie ihre Klassenkameradinnen eine nach der anderen die Schule verlassen mussten. Heute setzt sie sich als Direktorin von ALDEPA zusammen mit ihrem Team für Kinder – und Frauenrechte ein. Mädchen vor der Zwangsverheiratung zu bewahren und ihnen einen Schulabschluss zu ermöglichen – dafür kämpft Marthe Wandou mit Herzblut und Überzeugung. Mit großem Stolz gratulieren die helder-camara-stiftung und MISEREOR der gemeinsamen Projektpartnerin und ihrem Team zum Alternativen Friedensnobelpreis 2021 .

Was haben fehlende Geburtsurkunden, mangelnde Schulbildung und sexueller Gewalt miteinander zu tun? Spricht man mit der Frauenrechtlerin und Juristin Marthe Wandou wird schnell klar: Die Machtlosigkeit der Mädchen und Frauen beginnt sehr früh und zieht sich wie ein roter Faden durch weibliche Biografien. Nur 50% der Mädchen gehen in ihrer Heimatregion Extrême Nord in Kamerun zur Schule. Mehr als 400.000 Kinder haben nicht mal eine Geburtsurkunde. Auf dem Papier existieren sie nicht. Und Mädchen, die nicht zur Schule gehen, werden früh verheiratet. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Hälfte der weiblichen Bevölkerung unter 18 ist in der Projektregion verheiratet, viele von ihnen bereits im Alter von 13 oder 14 Jahren.

„Sei geduldig!“

Dies, so erklärt die Preisträgerin in einem Interview mit dem französischen Fernsehen, sei das Mantra, dass Eltern ihren Töchtern für die Ehe mit auf den Weg geben. Ertrage geduldig Ungerechtigkeit. Ertrage geduldig Gewalt in der Ehe. Sei eine gute Frau zum Wohle der Familie. Um jeden Preis.

Die Konsequenzen für das Leben von Mädchen und Frauen erlebt ihr Team tagtäglich. Sie arbeiten mit gefährdeten Frauen und Kindern sowie mit denjenigen, die die Gewalt von Boko Haram überlebt haben. In den letzten Jahren waren die Angriffe der Terroristen in der Region verheerend: Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Wasserstellen und sogar ganze Dörfer wurden zerstört. Frauen und Kinder sind die größten Opfer.

Bildung schützt

Marthe Wandou und Aldepa setzen auf Bildung und Ausbildung – für Mädchen und Frauen. Die größte Herausforderung ist die hohe Verwundbarkeit junger Frauen. Schon die Tradition im Norden Kameruns spielt gegen sie. Frühverheiratungen haben schwerwiegenden Folgen für ihre Gesundheit und ihr gesamtes Leben. Boko Haram hat alles nur verschlimmert. Einige der entführten Mädchen wurden vergewaltigt, aber wenn sie es schaffen, in ihre Gemeinschaft zurückzukehren, werden sie stigmatisiert. Die Leute verstehen nicht, dass man nicht über seinen Körper bestimmen kann, wenn man Opfer von Entführung geworden ist.

„Ich bin in einer katholischen geprägten Familie aufgewachsen. Christliche Werte wie Barmherzigkeit und Nächstenliebe waren wichtige Bausteine meiner Erziehung. Sie prägen mein Leben bis heute“, sagt er. Eigene Kinder hat er keine. „Mir lag aber die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen schon immer am Herzen. Mit meiner Stiftung möchte ich hierzu einen Beitrag leisten und zugleich andere ermuntern, das vielleicht auch zu tun.“ Daher hat er die Stiftung testamentarisch bedacht. Doch das alleine ist ihm nicht genug. „Warum soll ich warten, Gutes zu tun, bis ich tot bin?“, fragt er. „Ich hoffe vielmehr, dass ‚Der da oben‘ mir noch viel Zeit lässt, hier auf Erden mitzubekommen, was mit der Stiftung Gutes erreicht wird.“

Heilen und stärken

Die Seelen der Mädchen und Frauen zu heilen und sie wieder aufzurichten – das ist das Anliegen von Marthe Wandou. Traumaarbeit mit Betroffenen von Gewalt und Missbrauch, gute Bildung und Ausbildung für Mädchen und Frauen, Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft: Aldepa weiß, dass es zur Überwindung struktureller Ungerechtigkeit und Benachteiligung starke Allianzen und Mitstreiterinnen und Mitstreiter braucht. Den religiösen Führern der Muslime, Christen und Animisten kommt dabei eine ebenso wichtige Rolle zu wie Richtern, Polizisten und Sozialarbeiterinnen beim Schutz von Kindern.

Bildung ist der beste Schutz für Mädchen. Dafür kämpfe ich schon mein ganzes Leben.

Marthe Wandou, Frauenrechtlerin und Trägerin des Alternativen Friedensnobelpreises 2021
Logo Helder Camara Stiftung und Misereor

Über die Stiftungen und die Autorin

Katrin Heidbüchel ist seit 2009 in der Spenderkommunikation von Misereor insbesondere für den Arbeitsschwerpunkt Stiftung und Erbschaft verantwortlich. Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor e. V. ist eines der größten Hilfswerke der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und hat seinen Sitz in Aachen. Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützte Misereor seit seiner Gründung im Jahr 1958 zahlreiche Spenden- und Hilfsprojekte in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika und setzt sich für die Ärmsten der Armen ein.