„Davids Steine“

Da berühren sich Himmel und Erde

Vor einigen Wochen bekam unser ältester Sohn Post von unserer Kirchengemeinde und wurde zur Firmung eingeladen. In den letzten beiden Beiträgen hatte ich die Vorteile kirchlicher Statistik in Erinnerung gerufen und auch dafür geworben, die Messung der eigenen Arbeit und deren Reichweite, also die Wirksamkeit kirchlicher Arbeit nicht als Bedrohung sondern als Chance zu verstehen. Oder um es mit den Worten von Markus Weimer zu sagen: „Fakten sind Freunde“.

Aachener Grundvermögen - Ein Jungendlicher empfängt die Chrisamsalbung

Hinter der Einladung meines Sohnes zur Firmung steht übrigens auch eine ganz konkrete Auswertung aus dem kirchlichen Meldewesen. Denn nur so können alle Kirchenmitglieder im Alter von 14 bis 16 Jahren angeschrieben werden. Ob unsere Kirchengemeinde allerdings auch nicht getaufte Kinder von katholischen Kirchenmitgliedern anschreibt, weiß ich nicht. Ich würde es ihr aber dringend empfehlen. Die Daten der Familienangehörigen, die nicht derselben oder keiner öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft angehören, darf die Meldebehörde jedenfalls auf Basis des Bundesmeldegesetzes übermitteln (Wer es nachlesen möchte: §42 Abs. 2 und 3 BMG. Unternehmen würden sich nach solchen Daten die „Finger lecken“…). Warum würde ich die Einladung auch ungetaufter Kinder von Kirchenmitgliedern empfehlen? Während katholische Taufen vorwiegend in den ersten Lebensjahren sattfinden, vergrößern sich nach der Vollendung des zweiten bis zum 15. Lebensjahr evangelische Jahrgänge aufgrund von Taufen um knapp ein Viertel. Beinahe jede zehnte evangelische Taufe wird rund um die Feier der Konfirmation vollzogen. Das zeigt, dass eine grundsätzliche Bereitschaft von 14- bis 16-Jährigen zur Taufe vorhanden ist oder zumindest mit dem kirchlichen Angebot geweckt werden kann.

Aachener Grundvermögen vier junge Freunde, die auf einer Wiese Pizza essen

Mit dem Titel dieses Beitrages hatte ich aber eigentlich nicht die Firmung selbst, sondern mit dem Übergang von Himmel und Erde viel mehr den Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter im Blick. In der Phase nach der Firmung und Konfirmation stehen für die jungen Kirchenmitglieder mit Schulabschluss, Führerschein, Ausbildung und Studium in der Regel viele Herausforderungen an. Kirchliche Angebote verlieren in dieser Phase meist an Einfluss und Bedeutung – Prioritäten verschieben sich. Früher oder später steht für viele von ihnen ein Neubeginn an: Sei es der Auszug aus dem Elternhaus, der Umzug in eine neue Stadt, neue Freundschaften, Partnerschaft und auch der Einstieg ins Berufsleben. Gerade der Einstieg in den Beruf ist in der Regel auch mit dem erstmaligen eigenen Gehalt und damit in der Regel auch mit der erstmaligen Zahlung von Einkommensteuern und damit auch Kirchensteuern verbunden. Für viele junge Menschen ist dies ein Anlass aus der Kirche auszutreten. Denn aus der über viele Jahre ruhenden, passiven Mitgliedschaft wird dann eine aktive Mitgliedschaft. Folgendes Zitat aus einer Befragung Ausgetretener der evangelischen Landeskirche in Württemberg bringt diese Kosten-Nutzen-Abwägung auf den Punkt: „Für mich ist es mit der Kirche wie mit einem Fitness-Studio, für das ich Beitrag zahle, aber nie hingehe.“ (Die Pilotstudie ist auch wegen der Begleitmaterialien zur Wirksamkeit der Kirchensteuer eine absolute Leseempfehlung: https://www.elk-wue.de/news/2021/14072021-pilotstudie-zu-austrittsgruenden).

Aachener Grundvermögen drei junge Frauen öffnen gleichzeitig einen Brief

Jetzt hoffe ich, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser meine Beiträge nicht dafür schätzen, dass Themen beklagt und angeprangert werden, sondern vielmehr dafür, dass ich versuche konkrete Anknüpfungspunkte für die pastorale Praxis aufzuzeigen. Wie aber kann die gerade skizzierte kontaktlose Zeit zwischen Firmung und „erstem Gruß der Kirchen vom Finanzamt“ gestaltet werden? In aller Knappheit eines solchen Formats möchte ich Ihnen dafür das Modell „Lebenslang Mitglied bleiben“ der drei Schweizer Kantonalkirchen, Aargau, Bern und Zürich ans Herz legen. Sie finden Hintergründe, Dokumente und ein – wie ich finde sehr gelungenes – Explainity Video unter mitgliedbleiben.ch. Ziel des Modells ist es, die Beziehungen zu denjenigen Kirchenmitgliedern zu verbessern, die nie an Veranstaltungen teilnehmen und die von sich aus keinen Kontakt zur Kirchengemeinde suchen. Diese distanzierten Kirchenmitglieder möchten – so die Erkenntnisse der Schweizer Projektverantwortlichen – dabei allerdings nicht zu etwas überredet werden und ebenso nicht zu Anlässen eingeladen werden, an denen sie bisher kein Interesse hatten. Der Kontakt, den man mit ihnen aufnimmt, muss einen Wert in sich selbst darstellen, etwas, das sie erfreut und bereichert, ohne dass sie noch etwas dafür tun oder an einem Angebot teilnehmen müssen. Wie wäre es also einem Kirchenmitglied zum 18. Geburtstag zu gratulieren – die Daten sind im Meldewesen vorhanden – und ihm anlässlich Führerschein und im Straßenverkehr oder für Abschlussprüfungen symbolisch eine Kerze anzuzünden.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Angebot für Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplätze in einem der zahlreichen kirchlichen Einrichtungen, der Hinweis auf vorhandene Studentenwohnheime oder ein freiwilliges soziales Jahr gar im Ausland. Die Liste lässt sich noch weiterführen und muss auch fortgeschrieben werden, weil das Konzept so angelegt ist, dass nicht nur einmalig, sondern dauerhaft Kontakt gehalten werden soll.

Aachener Grundvermögen Weiße Papiertaube auf grünem Hintergrund

Zum Ende möchte ich unser aller Sorgen um junge Kirchenmitglieder, regelmäßige Kontakte oder auch die hohe Inflation aufgreifen und – leider aus aktuellem Anlass – die zweite Zeile des titelgebenden Refrains in Erinnerung rufen: „dass Frieden werde unter uns“!