„Davids Steine“

… und mit euch gehen in ein neues Jahr

„Von guten Mächten treu und still umgeben“ – so singen wir Christen gerne zum Jahreswechsel die Zeilen von Dietrich Bonhoeffer und beginnen mit Gottvertrauen das neue Jahr. In meinem letzten Beitrag habe ich für ein kontinuierliches Datenmonitoring geworben, um so die gezählte Wahrheit kirchlicher Arbeit und deren Reichweite wahrzunehmen. Dies – so schrieb ich weiter – könnte auch dabei unterstützen eine Strategie zu entwickeln sowie deren Erreichung und Wirkung zu überprüfen. Aber Hand aufs Herz! Haben nicht viele von Ihnen beim Lesen gedacht, dass dies mit der erlebten Realität nur wenig zu tun hat und – zumindest bei den Kirchen – so nicht umsetzbar ist? Sind nicht gerade viele – vor allem in der Pastoral – skeptisch, wenn es darum geht die (pastorale) Arbeit zu messen und damit auch eine Bewertung zu ermöglichen?

Die Frage, ob diese Haltung zu Religion und Kirche passt, möchte ich heute nicht selbst beantworten. Vielmehr möchte ich die Evangelische Kirchengemeinde Böhringen am Bodensee vorstellen, die sich selbst als Quellgemeinde bezeichnet. Die Verantwortlichen vor Ort haben sich – wie viele andere Kirchengemeinden – die Frage gestellt, wie sie es mit ihren knappen Ressourcen schaffen können, Veränderungsprozesse zu initiieren, um eine vitale Gemeinde zu werden, die sich dem Auftrag Gottes folgend ihren Mitgliedern wie Nichtmitgliedern lebensweltorientiert zuwendet. Einen wichtigen Impuls bekam die Kirchengemeinde im Rahmen des Reformationsjubiläums durch einen Besuch von Bischof Paul Williams aus England. Er berichtete über die Reformen in der Church of England und inspirierte die Verantwortlichen mit einem Textabschnitt der Apostelgeschichte (Kapitel 11–13), in dem vom Besuch des Barnabas in der jungen Gemeinde in Antiochia berichtet wird.

Seit „Gründung“ der Quellgemeinde sind mittlerweile einige Jahre ins Land gezogen und in der Kirchengemeinde wurden zahlreiche neue Wege beschritten. Einer davon ist ein vierjähriges Trainee-Programm für Jugendliche nach der Konfirmation, in dem diese intensiv als junge Leiterinnen und Leiter ausgebildet werden. Das kommt bei den Jugendlichen, aber auch deren Eltern gut an und so deuten erste Anzeichen auf einen Zuwachs an Konfirmationen in der Kirchengemeinde hin. In unserem Buch „Kirche – ja bitte!“ macht Pfarrer Markus Weimer nicht nur konkrete Zahlen der Konfirmationen oder auch der Eintritte in der Entwicklung über die Jahre transparent, sondern er rahmt diese mit den folgenden Zeilen: „Es fällt mir nicht leicht, in diesem Kontext Zahlen zu nennen, da dies sehr leicht als selbstgenügsame Machbarkeitsstrategie missverstanden werden kann. Im Kirchengemeinderat arbeiten wir allerdings gerne nach dem Motto: Fakten sind Freunde. Denn eine gute und ehrliche Auswertung von Zahlen zeigt an, welche Projekte und Initiativen wahrgenommen bzw. abgelehnt werden. Auf dem Weg haben wir zahlreiche Versuche unternommen, die nicht funktioniert haben und kaum angenommen wurden.“

Ich meine, allein mit dieser kurzen Passage beantwortet Pfarrer Markus Weimer unsere Fragestellung mehr als hinreichend und macht ebenfalls das einer Innovationsbereitschaft immanente Scheitern transparent. Und die Quellgemeinde ist viel mehr als das! Wenn Sie mehr über diesen von großem Glauben getragenen Veränderungsprozess, diesen geistlichen Prozess erfahren möchten, finden Sie weitere Informationen und auch die Kontaktdaten unter  ekiboe.de . Die Verantwortlichen vor Ort haben – und davon konnte ich mich in mehreren persönlichen Begegnungen überzeugen – das Gottvertrauen, das jede und jeder von uns beim Singen des Bonhoeffer-Klassikers verspüren kann.

Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass viele von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Verantwortung auf Ebene einer Diözese oder Landeskirche tragen. Dann werden Sie sich beim Lesen bis hierhin vielleicht gedacht haben: „Naja, bei einer Kirchengemeinde ist das vielleicht vorstellbar und kann in so einem begrenzten Rahmen auch umgesetzt werden.“ Diejenigen von Ihnen, die den nachfolgenden Satz mit einem „Aber“ beginnen möchten, lade ich gerne dazu ein sich das Freiburger Programm zur Visitation und Gemeindeentwicklung LEVI einmal anzusehen. Das auf dem bewährten EFQM-Modell basierende LEVI leitet sich aus den Schlüssel-Begriffen Lernen, Entwickeln, Vereinbaren und Inspirieren ab. Unter ebfr.de/LEVI schreibt die Erzdiözese Freiburg über das Programm: „Es dient der Standortbestimmung von Seelsorgeeinheiten, einer fundierten Auseinandersetzung mit Fragen der „Qualität in der Pastoral“ und der Weiterentwicklung der pastoralen Praxis. Auf der Basis einer Würdigung bisheriger Erfolge (Wirkungsüberprüfung) werden die nächsten Schritte der Organisationsentwicklung geplant, die den Sendungsauftrag der Kirche weiter konkretisieren helfen.“

In diesem Sinne möchte ich Sie im neuen Jahr dazu ermutigen Zahlen nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu verstehen, pastorale Veränderungsprozesse zu begründen und – mit dem Vertrauen auf Gott – zu beginnen, weiterzuführen oder zu verstetigen.