„Davids Steine“

Kirche ist an den Wegmarken im persönlichen Leben präsent

Unter dieser Überschrift wurde Mitte Juli dieses Jahres die Kirchenstatistik 2020 von der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt. Zurecht wurde darauf hingewiesen, dass die Statistik erheblich von den Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt war. In den vergangenen beiden Kolumnen habe ich mich, weil ein Rückgang bereits abzusehen war, bereits dem Thema Taufe gewidmet. Tatsächlich ist die Zahl der Taufen 2020 gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Die kirchlichen Trauungen gar um mehr als 70 Prozent. Das ist vor dem Hintergrund der notwendigen Schutz- und Hygienemaßnahmen nicht weiter verwunderlich. Weil durch den ersten Lockdown viele öffentliche Einrichtungen geschlossen oder der Zugang stark eingeschränkt war, ist der Rückgang bei der Zahl der Kirchenaustritte um knapp 19 Prozent ebenfalls wenig überraschend. Der Vorsitzende der DBK, Bischof Dr. Georg Bätzing reagierte darauf zurecht sehr betroffen, weil ihm bewusst ist, dass der Rückgang vor allem auf die Beschränkungen zurückzuführen ist.

Für derartige Erkenntnisse muss der Blick auf die deutschlandweiten Zahlen für das gesamte Jahr zugunsten einer kleinteiligeren Analyse verlassen werden. Das kirchliche Meldewesen bietet vielfältige Möglichkeiten, um sich ein Bild über die Situation auf allen Ebenen der Kirchen zu verschaffen. Hinter jedem Kirchenaustritt steht ein Mensch mit einer individuellen und zutiefst persönlichen Entscheidung. Mit den Daten des kirchlichen Meldewesens können – anonymisiert – zumindest Erkenntnisse über Geschlecht, Alter, Wohnort und so weiter gewonnen werden. Und auch der konkrete Austrittszeitpunkt kann Rückschlüsse auf Anlass und Hintergründe des Austritts geben. So gingen im Jahr 2020 die Kirchenaustritte im März und April stark zurück, um dann in den Folgemonaten wieder ebenso stark anzusteigen. Eine durch die Beschränkungen zu begründender V-förmiger Verlauf, wie er zu diesem Zeitpunkt eigentlich für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland diskutiert wurde. Empirie kann also helfen, Wirklichkeit wahrzunehmen. Denn die gefühlte Wirklichkeit ist oft eine andere als die gezählte Wirklichkeit.

Ein kontinuierliches Monitoring kann dabei helfen den Blick auf die kirchliche Arbeit und deren Reichweite zu schärfen. Es kann dabei unterstützen eine Strategie mit klar definierten und operationalisierbaren Zielen zu entwickeln, deren Erreichung und Wirkung auch überprüft werden kann. Ganz konkret würde es sich auf Ebene der Kirchengemeinden empfehlen, die Zahl der Kindertaufen im vergangenen Jahr mit der Zahl der Geburten in diesen Familien zu vergleichen. Das gleiche ist auch für die Trauungen von Gemeindemitgliedern im Verhältnis zu den standesamtlichen Trauungen der Gemeinde denkbar und sinnvoll. Im Blick der Gemeinde sollten auch die Anzahl der Mitglieder im austrittsgefährdeten Alter zwischen 20 und 35 Jahren sein. Diese Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen. Zum Beispiel um die Quote derer, die sich zu Kommunion und Firmung oder Konfirmation angemeldet haben, oder die Zahl der katholisch und evangelisch Verstorbenen im Verhältnis zu den kirchlichen Bestattungen. Gerade auch die Entwicklung im Zeitverlauf kann hier den eigenen Blick auf die Wirklichkeit schärfen, um daraus strategische Entscheidungen abzuleiten.

Allerdings sind dies Themen, die nicht von jeder Kirchengemeinde vor Ort eigens überlegt und entwickelt werden sollten. Vielmehr erscheint es sinnvoll, dass hierbei Diözesen und Landeskirchen unterstützen: durch die Bereitstellung und Analyse von gemeindlichen Daten und deren strategierelevanter Aufbereitung, die laufende Beobachtung und Prognose von lang- und mittelfristigen Entwicklungen und die daraus resultierende Beratung. Gerade auch der Vergleich mit anderen Gemeinden der gleichen Größe oder regionalen Struktur kann hilfreiche Erkenntnisse liefern. Diese Schlüsselindikatoren können dann wiederum die Grundlage auch für übergeordnete Strategieprozesse und Entscheidungen bilden.