„ZukunftsStifter“

Rettungsringe für den Michel

Erfolgsmodelle deutscher Stiftungen

von Michael Kutz

Stiftungen in Deutschland und auf aller Welt stehen in der Corona-Pandemie vor einer gemeinsamen Hürde: Wie kann der Stiftungszweck verfolgt und aufrechterhalten werden, wenn seit nunmehr einem Jahr Stiftungsarbeit, geschweige denn Fundraising kaum möglich ist? Außergewöhnliche Situationen erfordern kreative Maßnahmen. So auch bei der Stiftung St. Michaelis in Hamburg. Die Michel-Kirchengemeinde erwirtschaftet normalerweise 85 % ihrer Einnahmen selbst – durch Touristen, Konzerte und Großveranstaltungen. Mit den erwirtschafteten Geldern wird Gemeindearbeit betrieben, vor allem aber auch die barocke Kirche St. Michaelis gepflegt und erhalten. Doch in der Corona-Pandemie fehlen dem „Michel“ monatlich bis zu 50.000 €. Um das in Seenot geratene Hamburger Wahrzeichen unweit der Elbe zu retten, hat die Stiftung St. Michaelis mit herausragender Resonanz die Spendenaktion „Rettungsringe für den Michel“ ins Leben gerufen.

Aachener Grundvermögen Die Elbe und der Hamburger Jungfernstieg, im Hintergrund der Kichturm Michel

Der Hamburger Michel gilt als bedeutendste Barockkirche in Norddeutschland. Für die Schifffahrt auf der Elbe war sie früher ein wichtiger Orientierungspunkt für das Einschiffen im Hafen und ist für Seeleute noch heute das Wahrzeichen der Hansestadt Hamburg. Doch in der Corona-Pandemie ist der weithin sichtbare Sakralbau mit seiner markanten Architektur selbst in „Seenot“ geraten. Die Besucherzahl ist dramatisch eingebrochen. In „normalen“ Zeiten kommen täglich rund 3.500 Besucher – während der Corona-Pandemie waren es zeitweise weniger als hundert pro Tag. Einnahmen aus dem Tourismus und dem Veranstaltungsbetrieb finanzieren seit vielen Jahren „unsichtbar“ das Hamburger Wahrzeichen; Kirchensteuern tragen nur 15 % zu unserem Gemeindehaushalt bei. Mit der Spendenaktion „Rettungsringe für den Michel“ wollen wir das monatliche Defizit von 50.000 € decken. 

Im Juni 2020 hat Hauptpastor Alexander Röder „S.O.S. gefunkt“ und den Hamburger Hafen und Michel-Freunde im ganzen Land um gebeten, ihm einen Rettungsring zuzuwerfen. Unternehmen oder Privatpersonen können dann durch eine Spende eine Patenschaft für einen Rettungsring übernehmen und so symbolisch Mannschaftsmitglied werden. Die Rettungsringe selbst werden auf der Empore des Michels aufgehängt und zusätzlich online in eine Galerie der Rettungsringe aufgenommen. Sie erzählen ihre Geschichten von überstandenen Stürmen und erfolgreiche Rettungen. Der Mindestbeitrag für eine Patenschaft beträgt 36,50 Euro. Das entspricht 10 Cent für jeden Tag des Jahres, an dem wir mit Hilfe der Spender den Michel offenhalten wollen.

Die Resonanz war überwältigend. Mehr als 60 Rettungsringe von Schiffen aus Hamburg und aller Welt hängen bereits im Michel. Traditionssegler wie die PEKING sind ebenfalls dabei, wie der Dampfeisbrecher „Stettin“, der während des Zweiten Weltkriegs 500 Flüchtlinge nach Kopenhagen brachte, oder auch „Das Traumschiff“ auf der gleichnamigen ZDF-Serie, überbracht von der Hotelchefin des TV-Schiffes, Schauspielerin Barbara Wussow.

Mehr als 1.500 Michel-Freunde haben im vergangenen Jahr die Aktion auf vielfältige Weise unterstützt und bisher 500.000 Euro gespendet. Einige von Ihnen, wie die Witwe des 2019 verstorbenen Großstadtrevier-Schauspielers Jan Fedder, Marion Fedder haben eigene Aktionen gestartet: Die Versteigerung von Fedders Lieblingsauto erzielte ein Rekordergebnis von 61.000 Euro mit dem der Michel für einen ganzen Monat seine Türen offen halten und seine Angebote fortsetzen konnte.

Dank dieser großartigen Unterstützung ist der Michel nicht nur finanziell gut durchs Coronajahr 2020 gekommen. Mit der Aktion hat er eine große Öffentlichkeit erreicht, viele neue Unterstützer gewonnen und wurde als Kirche wahrgenommen, die mit ungewöhnlichen Aktionen auch in Krisenzeiten an der Seite der Menschen bleibt. Oder um es mit den Worten unseres Hauptpastors Alexander Röder auszudrücken: „Der Michel hat schon Kriege und Brände überstanden. Er wird auch die Corona-Pandemie überstehen“.

Über die Stiftung und den Autor

Michael Kutz ist seit 2012 Geschäftsführer der St. Michaelis Stiftung. Gegründet wurde die Stiftung im Jahr 2002 von fünf Hamburger Bürgern und der Hamburger Sparkasse als selbstständige Stiftung bürgerlichen Rechts mit 75.000 Euro Stiftungskapital. Unter dem Motto Michel mein Michel hat die Stiftung St. Michaelis in den vergangenen fünfzehn Jahren mehr als fünf Millionen Euro Spenden eingeworben und so maßgeblich zum Erhalt des Michel beigetragen. Durch Zustiftungen und Testamentsspenden ist das Stiftungskapital seit der Gründung auf mehr als 1,5 Mio. Euro gestiegen. Aus den Erträgen des Kapitals kann eine wachsende Zahl von Michel-Projekten langfristig abgesichert werden. Mehr Infos zur Aktion Rettungsringe für den Michel unter st-michaelis.de.